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Prof. Dr. Rudolf J. Wiesner

Universitätsprofessor

Forschungsschwerpunkte 

Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der morphologischen, histochemischen und funktionellen Charakterisierung von Tiermodellen für neurodegenerative Erkrankungen.

Neurodegenerative Erkrankungen sind in den späten Stadien durch extensiven Neuronentod gekennzeichnet. Bei vielen dieser Krankheiten (z. B. ALS, Multiple Sklerose, M. Parkinson) kommt es zumindest in ihren frühen Stadien nur zum Absterben von spezifischen Neuronen-Populationen, obwohl sie auf pathophysiologischen Prozessen beruhen, die nicht zelltyp-spezifisch sind. Während generell Anpassungsmechanismen an Stress vor massivem Zelltod schützen, vermuten wir dass einige Neuronenpopulationen solche Mechanismen im Sinne ihrer funktionalen Optimierung reduziert haben. Dieser trade-off zwischen Schutzmechanismen und Funktion ist im gesunden Zustand vorteilhaft, kann aber im kranken Zustand fatal sein. Unser Ziel ist es, herauszufinden, wie für bestimmte Neuronen typische funktionale Spezialisierungen ihre Anfälligkeit für Neurodegeneration erhöhen können.

Ein hochrelevantes Beispiel ist die Degeneration einer ganz spezifischen Subpopulation von Calbindin-negativen dopaminergen Neuronen (DaNs) in der S. nigra pars compacta während idiopathischem M. Parkinson, der altersbedingte Ursachen hat. Interessanterweise werden andere Populationen von DaNs im Mittelhirn ausgespart. Der eigentliche Grund für diese unterschiedliche Verletzlichkeit ist unklar, jedoch steht mitochondriale Dysfunktion im Verdacht, ein wichtiger Faktor zu sein. Vorangegangene Arbeiten zeigten, dass Deletionen der mitochondrialen DNA (mtDNA) bis hin zu funktional relevanten Gehalten in DaNs alter Menschen akkumulieren und auch bei alten Mäusen gefunden werden.

In unserem Mausmodell werden mtDNA-Deletionen in DaNs durch zelltypspezifische Expression einer mutierten mitochondrialen Helikase induziert, um ihre altersbedingte Akkumulation zu beschleunigen. Während mtDNA-Deletionen in allen DaNs akkumulieren, erwarten wir bevorzugt den Verlust der Calbindin-negativen, verletzlichen Subpopulation. Eine mögliche und testbare Hypothese ist, dass die Kombination mitochondrialer Dysfunktion, ausgelöst durch mtDNA-Deletionen, mit dem hochspezialisierten Ca2+-Handling dieser Neuronen ihre spezifische Verletzlichkeit verursacht. Um Dopamin auf ihre nachgeschalteten Neurone auszuschütten, feuern diese Neuronen autonom kurze Aktionspotenzialssalven. Während dieser Salven ermöglichen die wegen des fehlenden Calbindins niedrige endogene Ca2+-Puffer-Kapazität schnelle Anstiege und schnelle Erholungsraten von cytosolischem Ca2+. Diese niedrige endogene Ca2+-Puffer-Kapazität könnte diese Neuronen besonders empfindlich für zu hohe cytosolische Ca2+-Spiegel machen, wie sie aus mitochondrialer Dysfunktion resultieren würde, da Mitochondrien wichtige Ca2+-Puffer in Neuronen sind. Um diese Hypothese zu testen, werden wir das Ca2+-Handling identifizierter Populationen von DaNs von Mäusen mit erhöhter Akkumulation von mtDNA-Deletionen analysieren.